15. Juli 2011, Düsseldorf

Eröffnung Seitenlichtsaal: raumproduktion

Mit der Ausstellung raumproduktion startet die Kunsthalle Düsseldorf im Seitenlichtsaal eine neue Serie von Ausstellungen und Interventionen. Thema des ersten Jahres ist „Raum“ in seinen vielfältigen Ausprägungen. Zum Auftakt wurde Matthias Böttger eingeladen, eine Übersicht zu den ak­tu­el­len Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen von Raum zu konzipieren.

Für raumproduktion haben die Architekten Ju­li­an Schu­bert, Ele­na Schütz und Leonard Streich von So­me­thing Fan­tas­tic den Seitenlichtsaal mit Fäden zer­tei­lt und die räumliche Erfahrbarkeit und Perspektive verändert. Mit dieser programmatischen Gestaltung schaffen sie ein nur durch dünne Fäden, farbige Hilfslinien angedeutetes Potential von Räumen, das zwischen graphischer Illustration und sinnlicher Erfahrung oszilliert. Sukzessive wird das leere „Raum­lay­out“ um Bild- und Text­bei­trä­ge sub­jek­ti­ver Be­ob­ach­tun­gen und State­ments er­wei­tert, die Matt­hi­as Bött­ger im Dia­log mit den ver­schie­dens­ten Ak­teu­ren im Entstehungsprozess unserer gelebten Umwelt ent­wi­ckelt.

In den neu geschaffenen Räu­men sind Arbeiten von neun KünstlerInnen ausgestellt:

Larissa Fasslers Arbeit Les Halles ist ein psychogeographisches Modell der vor dem Abriss stehenden Metro-Station und Shopping-Mall Les Halles in Paris. Mit ihrem Schrittmaß aufgezeichnet und aus der Erinnerung rekonstruiert, ist eine Skulptur aus Pappkarton entstanden, die Städte als organische Strukturen wiedergibt und die Bewegungen ihrer Bewohner nachzeichnet.

Die Vandals #1-3 sind temporäre öffentliche Skulpturen, die Julika Gittner für einige Wochen am Straßenrand ankettet und der rauen Welt East Londons aussetzt. Die Vandals sind Empfänger und Auslöser von Aggression und Vandalismus, sind aber auch empfindsame Kunstwerke und Barometer des öffentlichen Umgangs mit Kultur außerhalb der schützenden Hülle eines Museums und der Samthandschuhe des Bildungsbürgertums, die nicht vorsehen, dass Objekte auf der „Straße“ leben.

Juul Hondius Arbeiten sind dokumentarische Fotos, oder zumindest erscheinen sie so. Sie könnten aus einer Zeitung ausgeschnitten sein, und doch erzählen sie mehr. Detail und Präzision dieser gestellten Fotos eröffnen Zeit und Raum und lassen den Betrachter die Ambiguität der Szenerie interpretieren und weiterdenken. Busfront zeigt eine Gruppe sehnsüchtiger, südländischer Menschen in einem Bus ... Migranten? Hondius schreibt: „Es ist nicht die Realität, die die Bilder macht, sondern umgekehrt. Unsere Realität ist eine der Nachrichtenbilder.“ Der Betrachter fragt sich: Wie, wo und warum wurde das Foto gemacht? Wo wollen die Menschen warum hin?

Ingrid Horas The Great Leap Forward regt zur Bewegung an, und doch ist diese fast unmöglich. Es ist ein Tanz an Ort und Stelle. Diese Bewegungsprothese verbindet Raumerfahrung und -produktion mit individuellen Biographien, Marginalisierung und Vergänglichkeit.

Echoes of Man sind fragile Skulpturen aus dünnem Plastik. Es sind zarte Hände, die an die Verletzlichkeit unserer Welt erinnern. Jennifer Morone zeigt, dass nicht nur der Sehsinn, sondern gerade der Tastsinn, Raum erfasst und produziert. Wenn der menschliche Geist Ursprung unserer Vorstellung von Welt ist, sind es die Hände, die sie räumlich erstellen.

Michl Schmidts Manifestation ist der Prototyp einer Instant-Barrikade. Im Ruhezustand ist die Barrikade z.B. in einer Garage geparkt. In einer Situation, in der jedoch Zivilcourage gefragt ist, kommt das Modell „Manifestation“ zum Einsatz. Der narrativ-poetische Aspekt des Objekts verweist auf die Popularisierung von Protestkultur und stellt nur noch eine leichte Übertreibung dar.

Alex Schweder Las This Apple Tastes Like Our Living Room Used To Smell aus der Sammlung von Bill und Ruth True zeigt Architektur wie sie ist, in Transition, vergänglich. Der Schimmel ruckelt an den Stützen der Institution und an unserer Sicherheit in der Welt. Der Schimmel verbindet Körper und Gebäude auf unangenehme aber vielleicht auch befreiende Weise.

Peter Wendl zeigt präzise Tuschezeichnungen, wie sie ein Bauzeichner nicht besser machen könnte. Und doch würden sie so nie entstehen. Seine Architekturzeichnungen sind maßstäblich, zeitlich und in der Wahl des Motivs verstörend und zeigen die Macht der Konstruktion und Interpretation unserer Welt.

Kunsthalle Düsseldorf

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